Der Besuch einer Messe und die anschließende Bewertung ist in erster Linie von Erwartungen abhängig: Werden sie erfüllt, ist der Besucher zufrieden.
Bevor ich also etwas über unsere Eindrücke und unsere Meinung schreibe, erkläre ich am besten kurz, was wir uns vorgestellt hatten, als wir gestern hin gingen.
Von der „kulinart“ haben wir uns versprochen, viele neue Anregungen zu bekommen. Und zwar sowohl in Bezug auf Kochwerkzeuge, als auch in Bezug auf Zutaten, Gewürze und Dekoration von Speisen. Unsere Vorstellung war, dass an allen möglichen Stellen gebrutzelt wird – um Produkte oder Ideen von lokalen Herstellern zu verkaufen. Vorsichtshalber hatten wir uns vor der Abfahrt deshalb sogar ein Budget zurecht gelegt: Spontane Leichtsinnskäufe sollten diese Grenze nicht überschreiten.
Doch dann kam alles ganz anders…
Zunächst sei vorausgeschickt, dass die Umgebung, in der die „kulinart“ stattfand, ausgesprochen geschmackvoll gewählt war: Das Römerkastell, ein geschichtsträchtiger Ort, war Austragungsort für die „Messe für Genuss & Stil“. Sie belegte die Phönixhalle mit etwa etwa 900m² sowie deren „Castello“ mit Wintergarten (ca. 200m²). Der Backsteinlook der alten Reithalle sorgt für eine warme und gemütliche Grundstimmung.
Der Ort war es also nicht, der uns enttäuscht nach Hause gehen ließ. Es war der „Branchenmix“, also die Wahl der Aussteller. Kurz auf einen Nenner gebracht könnte man es so ausdrücken: „Die ‚kulinart‘ war eine kleine Gewerbeschau von Feinkost Dingenskirchen bis Nanu-Nana“.
Nur ein Bruchteil der Stände waren Herstellerstände. Viele Anbieter waren Einzelhändler, die eingekaufte Ware einfach „nur“ weiter verkaufen. Bei den gezeigten Lebensmitteln handelte es sich zum größten Teil um verarbeitete oder gar hochverarbeitete Produkte. Beinahe überall drehte es sich um aromatisierte Schokoladen, versetzte Öle, angereicherte Essige, Saucen & Fonds & Terrinen & Confit, … Oder mit anderen Worten: Das übliche Feinkostladensortiment. Nicht dass die Dinge nicht lecker gewesen wären, in größerer Auswahl, übersichtlicher und preiswerter bekomme ich sie jedoch in jedem mittelgroßen Feinkostladen (auch dort kann ich vieles probieren) oder Internetshop präsentiert. „Preiswert“ war für uns übrigens kein Ansatz für Kritik: Die meisten wissen wohl heutzutage, dass Messeangebote in der Regel keine Angebote im Sinne von „preiswert“ sind.
Der Ausstellungsteil, der sich mit Kochkultur/-hardware beschäftigte, bestand im Wesentlichen aus einem Miele-Stand und einem Kochgeräteversender. Ersterer präsentierte nichts ausgefallenes, letzterer ein äußerst überschaubares Sortiment.
Das Showcooking fand praktisch nur auf der Showbühne statt. Showbühne bedeutet in diesem Zusammenhang jedoch, dass jeder, der keinen der wenigen Plätze auf der Empore ergatterte halsreckend vor den anderen Zuschauern stand, um einen Blick auf die Shows erhaschen zu können. Von einer Kochmesse erwarte ich eigentlich, dass die Bilder einer Videokamera (die tatsächlich umher lief) auf eine Leinwand geworfen werden. Jede Kochsendung im TV hat einen höheren Informationsgehalt als solche „Ich-koche-für-30-Leute-auf-der-Empore“-Veranstaltungen.
Weitere Showcookings konnten wir nur am Siemens-Stand ausmachen. Dort wurde gelegentlich gekocht. Leider ohne Mikrofon, so dass man nichts mitbekam außer einer Menschentraube.
Was gab es sonst noch?
Demeter war vertreten. Ein Stand, auf dem nicht so richtig klar wurde, ob Demeter sich als Verband oder einzelne Erzeuger sich als Produzenten präsentieren wollten.
Mehrere Schokoladen und/oder -Cacaoveredler waren zu sehen, davon einige jedoch nur Wiederverkäufer (z.B. für Zoter).
Ein Stand („Essbare Wildpflanzen“) hatte interessante Kräuterideen im Sortiment, jedoch nur einen Bruchteil seines Webshopsortimentes vor Ort (immerhin, so hat er einen Link von uns bekommen).
Die italienische Region Liguien präsentierte sich und ihre Spezialitäten- Leider wenig interaktiv (hey, wieso liegen Nudelspezialitäten angetrocknet auf dem Tisch und gelangweilt in einem Kühlschrank? Die gehören ins Wasser!). Ein Pestowettbewerb sollte Ligurien promoten, verkam jedoch zu einem unübersichtlichen massenmörsern ohne Infogehalt für die Zuschauer.
Ein Einrichtungshaus (richtig gelesen: eines!) stellte weitestgehend den „Lifestyle“-Teil der Ausstellung dar und präsentierte Dekoideen für die Tafel und Wohnideen für den Rest des Hauses.
Fazit:
Wer das miese Stuttgarter Nieselwetter genutzt hatte, um die „kulinart“ zu besuchen wurde wahrscheinlich nicht enttäuscht: Für einen verkraftbaren Eintritt (9 Euro) gab es eine warme Stimmung in einer Feinkost-Leistungsschau. Mehr aber auch nicht. Wer das Thema „Küche“ oder „kochen“ im Mittelpunkt glaubte, wurde enttäuscht. Wir haben uns etwas falsches unter der Messe vorgestellt und werden uns nach anderen Events umsehen müssen. Als Küchen- und Kochblog-Newbies sind wir wohl Kollateralschäden der „kulinart“.
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